Page 17 - Heiligenhauser Magazin 2 2023
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 um die Frage, dass der mittlerweile in die Jahre gekommene und schütter gewordene wilde Wein dafür unweigerlich entfernt werden musste und vor allem nicht wieder zurückkehren sollte, war intensiv.
Doch auch insgesamt galt es, sich beim Rathaus nun wirklich Mühe zu geben, um stilsicher einen schönen Stadtmittelpunkt und eine schöne Kulisse für das Stadtfest, den Weihnachtsmarkt und Vieles mehr sicherzustellen. So kehrten aufwändige Holzfenster zurück, wurde lange über
das Farbkonzept zur Fassadenbemalung diskutiert (Entscheidung am Ende: Hellgrün wie der Anröchter Sandstein mit mattroten Verzierungen), und auch eine moderne LED-Fassadenbeleuchtung mit Farbein- stellmöglichkeit wurde installiert. Als die Arbeiten begannen, verschlug es vielen Bürgerinnen und Bürgern den Atem, denn als der Wein entfernt war, sag man erst die tiefen Schäden der grauen Fassade.
Übrigens wurde auch der Platz aufgewertet, um ein schönes Gesamtbild zu garantieren: Entfernung des wilden Buschwerks rund rums Rathaus und Ersatz durch Laven-
del, neue Laternen und Beleuchtung des Platzes, Fahnenmaste, neue Bäume auf dem Rathausplatz. Auf die Außen- folgte eine umfangreiche, aber nicht vollständige Innensanierung.
Herzstück des Rathauses ist natürlich der Ratssaal. Schon beim Bau 1923 wurde er, wie auch das Rathaus in Gänze, für die junge Demokratie der Weimarer Republik repräsentativ gestaltet. Diesem Aspekt wid- meten allerdings auch die Nationalsozialis- ten besondere Aufmerksamkeit: Schon kurz nach der Machtergreifung, im Jahr 1934 ließen sie den bis dahin unbefestigten Rat- hausplatz (und einstigen Schulhof) teeren,
um ihn für Kundgebungen und Aufmärsche nutzen zu können. 1938 unterzog man ihn insgesamt einer Neugestaltung, bei der auch das Germania-Denkmal entfernt wur- de. Ab dieser Zeit lässt sich das Bemühen feststellen, das gesamte öffentliche Leben der Stadt von Veranstaltungen bis hin zum Wochenmarkt fortan auf diesem Platz bzw. rund um das Rathaus zu konzentrieren. Auch die Reden des Führers wurden mittels Radiogeräten in den Fenstern auf den Platz übertragen. Das Rathausumfeld wurde
in den 1950er Jahren noch einmal ange- packt – allerdings folgte man dabei den nie realisierten Entwürfen des Heiligenhausers Stadtbaumeisters Baronetzky aus den 1920er Jahren.
Ebenso nahmen sich die Nationalsozialis- ten den Ratssaal vor, der nach Entwürfen des Kettwiger Stadtinspektors Kubitza neugestaltet und in dieser Form zum Jahreswechsel 1941/42 fertiggestellt
war. NS-Bürgermeister Wernicke betonte, dass sich der bisherige Ratssaal „nicht in den Rahmen unserer Auffassung von der Würde und Echtheit nationalsozialistischer Beratungsstätten“ eingefügt habe.
Wesentliche neue Gestaltungselemente waren das immense Eingangsportal in den Saal, das Parkett, die Wandvertäfelungen und die Deckenbalken, die Kron- und Wand- leuchter sowie die Bleiglasfenster. Dort, wo heute das Stadtwappen an der Stirnseite prangt, hing das NS-Parteisymbol. Die Sitz- ordnung war freilich eine andere als heute: Das „Podium“ aus Bürgermeister und Ver- waltung befand sich an der Stirnseite unter dem Parteiemblem und nicht, wie heute, vor den Fenstern.
Der Zuschauerbalkon, der seit den 1970er Jahren wieder hervorgeholt und bei der
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