Page 50 - Heiligenhauser Magazin 2-2024
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„Erhellte Nächte, dunkle Folgen“
Sterngucker haben es längst bemerkt, und auch Spinner, Spanner und Schwärmer (drei der häufigsten Nachtfalterarten in Deutsch- land) haben es bereits erfahren müssen: Die Nacht wird immer heller.
Licht dient längst nicht mehr nur der Sicherheit, sondern auch der nächtlichen Freizeitgestaltung und vor allem exzessiv als Werbebeleuchtung. Aber auch die rein dekorative Beleuchtung nimmt immer mehr zu. Häuser, Gebäude, Kirchtürme, Fassaden und Brücken werden permanent ange- strahlt. Und leider auch da wo viele Lebewe- sen überhaupt noch nutzbare Lebensräume zum Leben und Überleben vorfinden. Die LED-Technik ist energiesparend und inzwi- schen so billig, dass auch in vielen Gärten die ganze Nacht hindurch Licht brennt. Zunehmend werden Bäume, Sträucher, Hecken, Wiesen und Teiche mit hellem Licht in Szene gesetzt. Statt Energie einzusparen, wird immer mehr verschwendet.
Mittlerweile gibt es in Europa kaum noch einen Ort, an dem nachts natürliche Dunkel- heit herrscht. Ausnahmen sind der Sternen- park Rhön, der Naturpark Westhavelland in Brandenburg, der Naturpark Eifel und die Winklmoos-Alm in den Chiemgauer Alpen. Hier gibt es ohne Lichtverschmutzung noch jede Menge Sterne, Sternchen und Stern- schnuppen zu beobachten.
Allerdings wird immer deutlicher, dass die Lichtverschmutzung massive Auswirkungen auf die Umwelt und sogar auf uns selbst hat. Denn Licht hat einen direkten Einfluss auf unseren Organismus.
Das Schlafhormon Melatonin steuert viele Körperfunktionen, Reparatur- und Regene- rationsprozesse. Es wird nur bei Dunkelheit
in ausreichender Menge produziert. Ist es nachts zu hell, kann dies zu Schlafstörun- gen führen, die gesundheitliche Folgen haben können. Herz-Kreislauf-Erkrankun- gen, Schwächung des Immunsystems, Übergewicht oder Konzentrationsschwäche sind häufig die Folge. Da Melatonin auch eine krebshemmende Wirkung hat, wird vermutet, dass ein Mangel das Wachstum von Tumoren begünstigen könnte. Wissen- schaftlich bewiesen ist dies jedoch noch nicht.
Aber nicht nur unsere Gesundheit ist bedroht, die Lichtverschmutzung ist laut Bundesamt für Umwelt (BAFU) auch einer der Gründe für den stetigen Rückgang der Artenvielfalt. Die Biomasse fliegender Insekten ist in den letzten drei Jahrzehnten um fast 80 % zurückgegangen.
Künstliches Licht hat nachweisbare Auswir- kungen auf eine Vielzahl von Lebewesen, darunter Zugvögel, Fledermäuse, Fische, Amphibien, Insekten und sogar das Plank- ton in Seen.
Nachtaktive Lebewesen werden in ihren nächtlichen Aktivitäten (Bestäubung, Fortpflanzung, Nahrungssuche) massiv gestört. Durch das viele Licht werden sie geblendet, verdrängt, abgelenkt, irritiert. Verhaltensänderungen, Verschiebung von Räuber-Beute-Beziehungen und Dezimie- rung von Lebensräumen und/oder Populati- onen sind die Folge. Für unzählige Insekten wird Licht sogar zur Todesfalle. Durch die Anziehungskraft von künstlichem Licht auf Insekten sterben allein in Deutschland jähr- lich schätzungsweise 100 Milliarden von ihnen. Eine helle Straßenlaterne ersetzt den Mond, an dem sich die Tiere normalerweise
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