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Heiligenhaus, randalierten unter ande- ren in der Wohnung von Adele Jacobs, demolierten Möbel und entsorgten sie aus dem Fenster. „Das Schreien der völ- lig verstörten sympathischen Frau klingt mir heute noch in den Ohren“ erzählte vor einigen Jahren eine Nachbarin als Zeitzeugin. Die Angst der hil osen unverheirateten Jüdin motivierte die fa- natischen örtlichen Nazis, sie als geis- tesgestört einzustufen. Ein Todesurteil, das nach qualvollen Wochen durch eine Spritze vollstreckt wurde.
Zerstörungen, Verhaftungen, Drangsa- lierungen und Synagogenbrände waren in dieser Nacht in ganz Deutschland der o zielle Anfang vom grausamen Ende. Die Bilanz des Pogroms, das am 10. No- vember für beendet erklärt wurde, war erschreckend. Über 1.000 Synagogen waren abgebrannt, ca 8.000 Geschäfte wurden zerstört, sowie zahllose Woh- nungen verwüstet. Erschlagen, erdros- selt, erhängt, vergast – so endete wäh- rend des Dritten Reiches das Leben von ca. 6 Millionen Juden. Unter ihnen auch das Leben von 24 jüdischen Mitbürgern in Heiligenhaus. Alle wurden in den Konzentrationslagern ermordet. Wer kennt noch die Namen oder Personen mosaischen Glaubens aus den Familien Aron, Herz, Moll, Jacobs, Jonassohns oder Regensberg? Jahrzehnte lebten sie in Frieden und Freundschaft mit ihren Nachbarn, besuchten christliche Schu- len und waren geachtete Mitglieder in Vereinen und Verbänden. Das änderte sich bereits mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933. Und seit
dem Erlass der Nürnberger Gesetze 1935 lebten die genannten Familien in ständigem Schrecken vor dem Ras- senhass. Zunehmend wurden sie von der Bevölkerung gemieden, verloren ihre Arbeitsplätze und das Schulrecht. Die Pogromnacht war auch für sie der Anfang vom bestialischen Ende. In jener Nacht wurden ihre Wohnungen zer-stört. Am schlimmsten traf es den selbständigen Klempner Karl Aron und seine Frau Rosa, Tag und Nacht demo- lierten ortliche SS und SA Schergen
das Geschäft, zerstörten den gesam- ten Besitz, nahmen ihnen am Ende
das Leben. Am 23. November wurde das Ehepaar zusammengebunden tot aus der Ruhr geborgen. Nach dieser Schreckensnacht am 9. November 1938 verließen die Heiligenhauser Juden schnell ihre Heimat, versteckten sich in den Großstädten. Aber keiner von ihnen konnte dem Todesschicksal entrinnen. „Wir sind judenfrei“ brüsteten sich die fanatischen Nazis stolz. Für die meisten Heiligenhauser war die Pogromnacht ein Alptraum und für einige der Anfang vom Zweifel am Regime.
Zum Gedenken an die Heiligenhauser Pogromnacht veranstaltet die Evangeli- sche Gemeinde in Kooperation mit dem Stadtmarketing AK Kultur und Gesell- schaft am Freitag dem 9. November von 19-21 Uhr im Haus der Kirche eine Nacht der Erinnerung.
Ruth Ortlinghaus
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