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Heinrich Böll:
Nicht nur zur Weihnachtszeit. dtv Taschenbuch, 160 S. 8 Euro. ISBN 3-4231-1591-2
Es ist still geworden um den Literatur-No- belpreisträger, dabei sind seine Werke so aktuell wie eh und je. So hat er auch schon früh diesen sich wie eine Epidemie ausbrei-
tenden schrecklichen Weihnachtsvirus er- kannt, und oben genannte Satire geschrie- ben. Es ist die Geschichte von Tante Milla „die in der ganzen Familie von jeher wegen ihrer Vorliebe für die Ausschmückung des Weihnachtsbaumes mit allen dazugehö- rigen Festlichkeiten bekannt“ war, „eine harmlose, wenn auch spezielle Schwäche, die in unserem Vaterland ziemlich verbrei- tet ist“. Den Zweiten Weltkrieg sah die Frau als eine Macht, die alle diese Riten gefähr- dete. Nachdem ab 1947 alles wie früher war, kann die Tante nicht mehr aufhören jeden Tag Weihnachten zu feiern, immer zur Dämmerstunde berührt sie ihren Mann am Ärmel „So wollen wir denn die Kinder zur Feier rufen, ich glaube es ist Zeit!“ Das wiederholt sich über Monate und Jahre. Auch wenn die Erzählung zuerst so auf- ge-baut ist, dass man amüsiert ihre Hand- lung in einer anfänglichen Idylle verfolgt, steckt dahinter eine unglaublich gekonnte Satire. Es wird immer wieder beklemmend spürbar, wie sehr der Autor erschrocken
ist über die Gewöhnung, Vermarktung und Entleerung der weihnachtlichen Rituale und das zur Routine gewordene eigentliche Geschehen der Heiligen Nacht.
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Ruth Ortlinghaus
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