Page 110 - Veranstaltungskalender der Stadtmarketing 1-2020
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Goethes Faust als köstliche Glosse. Faust auf der Reeperbahn
Am Spielbudenplatz auf der Reeper- bahn befand sich ein Volkstheater das ein festeres und größeres Stammpubli- kum hatte als das berühmte Opernhaus, die Gäste waren Seeleute, Hafenar- beiter, Fischhändler, Wirtsleute und Freudenmädchen.
Direktor Dannenberg kam einst auf den Gedanken, die Gretchentragödie aus Goethes Faust zur Aufführung zu
bringen. Noch vor der Premiere war
das Haus für alle sieben Vorführungen bis auf den letzten Stehplatz ausver- kauft. Während der Premiere knisterte es weit vor Beginn vor Spannung im Theater. Als Gretchen wehklagend ob ihrer verlorenen Ehre und verschmähten Liebe am Spinnrad sass, und sich in Gewissensklagen wand, erscholl lautes Klagen und weinendes Mitgefühl aus den Reihen des Publikums.
Beim Klatsch der Mädchen am Brunnen, schrieen einige Männer erregt „Jo, jo
so is datt.“ Immer diese verdammten Klatschwiever“. Der klumpfüßige Me- phisto wurde mit Johlen und Zischen und Pfeifen empfangen, sobald er sich auf der Bühne blicken ließ, hieß es „Fahr zur Hölle, Satan“. Auch Faust erhielt beim Werben um Gretchen unfreundli- che Wort zugerufen „ Kerl du lügst“ oder „un der Kerl will wat Beeteres sin?“
Am Schluss gab es dann einen mörderi- schen Skandal, wie ihn das Volkstheater noch nie erlebt hatte und in dessen Verlauf das tief entrüstete biedere
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