Page 3 - Heiligenhauser Magazin 3 2024
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Herbst
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten,
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an, es ist in allen.
Und doch ist einer welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält
Liebe Leserin, lieber Leser
Mit den Versen von Rainer Maria Rilke, dem größten
deutschen Lyriker des 20. Jahrhunderts, grüßen wir
Sie zum Beginn der dunklen Jahreszeit. Wir hoffen,
dass Sie frohe und erholsame Ferientage verbringen
und für die kommenden Tage und Wochen viel Kraft
tanken konnten. Denn die ganze Welt ist im Aufruhr:
Kriege, Hass, Morden, desolate deutsche Politik
und zunehmender Rechtsradikalismus. Und durch
den Krieg zwischen Israel und Hamas ist die Kluft in
Deutschland zwischen Juden und Muslimen wieder
größer geworden. Wird das Massaker zwischen den
Völkern und das Morden niemals enden? Wie tröstet
ein Poet der Romantik? „Und doch – wie Krieg auch –
die Sonne glüht. Weg drum mit Schwermut in Deinem
Gemüt. Banne die Sorge, genieße, was frommt –
Stille, Winter und Weihnachten kommt.“
Und wieder einmal nähert sich das Jahr seinem Ende
zu. Mit den vor uns liegenden Monaten begegnen und
feiern wir wieder – wie alljährlich innerhalb der abend-
ländischen Riten des Christentums – dem inhalts-
reichen, traurigen und letztlich tröstlichen Dreiklang
von Trauer, Freude und Hoffnung. Es beginnt mit dem
dunkelsten und schwermütigen Monat im Jahreskreis,
dem von vielen gehassten November. Er rührt mit sei-
nen dunklen Gedenktagen an die Substanz menschli-
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